- Startseite
- Stadt Gießen
Stand:
Von: Björn Gauges
Kommentare
Es wird grün: Das englischsprachige Keller Theatre erhält staatliches Sponsoring für ein hochkarätiges, sechswöchiges Festival im Mai und Juni.
Gießen . Manchmal liegen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt ganz nah beieinander. So wie bei Martin Koob, Künstlerischer Leiter des Gießener Keller Theatre, der zunächst eine ziemlich schlechte Nachricht verdauen musste. Der Gießener hatte das Stück »Twinkle Twinkle« geschrieben, dessen Premiere unter seiner Regie im Dezember auf dem Spielplan stand. Doch dann ging eine Viruswelle durchs Land, der Vorverkauf stockte und dann kamen auch noch krankheitsbedingte Ausfälle im Team dazu. So mussten notgedrungen alle vier im Dezember geplanten Aufführungen abgesagt werden.
Ein Tipp vom irischen Konsulat
Doch schon bald darauf folgte die gute Nachricht. Und was für eine: Das Keller Theatre, die älteste englischsprachige Bühne Deutschlands, wurde in das einjährige Kulturprogramm »Zeitgeist Irland 24« aufgenommen, mit dem das Land hiesige Produktionen und Institutionen fördert. Und dank dieses vom Außenministerium und Irischen Kulturinstitut in Dublin sowie der irische Botschaft in Berlin getragenen Sponsorings kann das Keller Theatre im Mai und Juni ein sechswöchiges Theaterprogramm voller Höhepunkte auf die Beine und Bühne stellen.
Auf dieses Förderprogramm aufmerksam wurde Koob im Zuge der Inszenierung »The Cloudspotter« aus der Feder des Iren Michael Harnett, die vor einem Jahr in der Kleinen Bühne zu sehen war - »erstmals außerhalb Dublins«. Bei der Premiere waren damals auch Gäste des irischen Konsulats aus Frankfurt im Publikum, die Koob aufforderten, sich für »Zeitgeist 24« zu bewerben. Das traf sich gut, denn der 53-Jährige pflegt seit vielen Jahren eine innige Verbindung zur Grünen Insel. Er ist nicht nur ein profunder Kenner der dortigen Theaterszene, sondern hat selbst in Dublin gelebt und gearbeitet. Bis heute hat er ein Zimmer in der Hauptstadt, »sie ist mir zu einer zweiten Heimat geworden«.
Also hat sich der 53-Jährige ein Konzept überlegt, wie sich die Juroren für die Gießener Bewerbung überzeugen ließen. So lud er das Ensemble Fishamble für Gastspiele ein. »Das ist eine weltbekannte Theatertruppe aus Dublin, die sind mit Preisen überhäuft«, berichtet er. Deren Auftritte wollte er für das Festival mit einer Theaterform kombinieren, bei der das Storytelling, im Vordergrund steht. Da geht es um »Stücke aus dem Leben, ohne überhöhende Effekte, ernsthaft und lebensnah«, erklärt er. Und so gewann er auch den »The Cloudspotter«-Autoren Michael Harnett für einen Besuch, der sein neues Werk »Bullied« mitbringen wird. Hinzu kommt ein weiteres irisches Stück, das Koob mit dem eigenen Ensemble des Keller Theatre inszeniert. Drei noch unfertige Skriptentwürfe liegen ihm dazu gerade vor, von denen er einen auswählen und gemeinsam mit dem entsprechenden Autor in der Kleinen Bühne erarbeiten will.
Mit diesem umfangreichen Konzept wurde das traditionsreiche, 1958 von der in Gießen stationierten US-Army in einem Keller gegründete Theater tatsächlich für das Förderprogramm ausgewählt - »wohl als einstige Kulturinstitution, die nicht irisch ist«, wie der Künstlerische Leiter stolz berichtet. Gießen steht dabei als »Zeitgeist 24«-Schauplatz neben Metropolen wie Berlin, München oder Köln. »Das ist richtig fett!«
Hinzu kommt eine irische Kulturnacht am 25. Mai, an dessen Gestaltung sich das Frankfurter Konsulat beteiligen will. Und auch zusammen mit dem Tinko Kindertheater soll ein Programmpunkt auf die Beine gestellt werden, schließlich teilen sich die beiden Gießener Ensembles seit 2010 die Kleine Bühne in der Bleichstraße.
Von der Grünen Insel und der Offenheit ihrer Bewohner zeigt sich Koob begeistert. »Ich hatte schon immer eine Irland-Affinität. Und irgendwann bin ich einfach nach Dublin. Schon nach einem halben Tag kannte ich Leute.« Ruckzuck habe er sich auch in die Theaterszene der Stadt hineingefunden. So stand er selbst dort auf der Bühne, arbeitete in einem Festivalvorstand und war als Sprecher an einer BBC-Doku über den Ersten Weltkrieg beteiligt. »Und da das Land klein ist, entstanden auch viele Verbindungen in andere Regionen.«
Geschichten aus dem prallen Leben
Koob, der selbst Stücke schreibt, Regie führt und manchmal auch selbst auf der Bühne steht, schwärmt von der »riesigen Theaterszene« des kleinen Landes. »Die Stücke sind im Vergleich sehr bodenständig, volksnah, erzählen aus dem prallen Leben. Ich finde das toll.« Zudem gebe es nicht nur an jeder größeren Straßenkreuzung ein kleines Theater: »Die kriegen ihre Läden auch voll.«
Und das will er auch mit dem irischen Theaterfestival in Gießen erreichen, das zu einem Höhepunkt in der langen Geschichte des Keller Theatre werden könnte. Bleibt die Frage: Wie gut muss das Englisch der Zuschauer sein, um den Stücken folgen zu können? Da winkt Koob ab, das sei kein großes Problem. Schließlich sei das Publikum bunt gemischt, von Schulklassen bis zu älteren Leuten. Gleiches gilt übrigens für Theaterfans, die selbst einmal in einem Stück mitspielen wollen. »Man muss bei uns kein Muttersprachler sein«, erklärt Koob. Im Ensemble seien sowieso alle möglichen Nationen vertreten: Türkei, Polen, Kanada oder Samoa, zählt er auf. Ein Vorsprechen sei jederzeit möglich. Aber auch helfende Hände werden bei den Produktionen immer gebraucht.
Das englischsprachige Gießener Keller Theatre feiert vom 3. Mai bis 16. Juni ein Festival mit Schwerpunkt Irland in den Räumlichkeiten der Kleinen Bühne (Bleichstraße 28). Einige der Programmpunkte sind bereits terminiert. Dazu gehört die »Gießener Kulturnacht - The Keller at the Kleine Bühne« am Samstag, 25. Mai. Zu Gast ist außerdem das mehrfach ausgezeichnete irische Theaterensemble Fishamble mit dem Stück »Mustard« am 28. Mai und 1. Juni. Der irische Autor Michael Harnett (»The Cloudspotter«) zeigt sein neues Stück »Bullied« vom 6. bis 8. Juni.
Die nächste Saisonpremiere des Gießener Ensembles findet am 23. Februar statt. Dann steht das Stück »Nobody’s Perfect« von Simon Williams auf dem Spielplan. Weitere Infos gibt es im Internet: https://keller-theatre.de/. (bj)